Muskelspannung verstehen: wie Körper und Emotionen zusammenarbeiten
- lotharlehner
- 23. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Das Leben ist ein Spannungsfeld im wahrsten Sinn des Wortes. Ob wir uns wohlfühlen, gestresst sind oder einfach zu wenig schlafen, alles zeigt sich irgendwann im Körper. Idealerweise sind unsere Muskeln im sogenannten Eutonus, also weder zu locker noch zu verkrampft. In diesem Zustand sind wir bereit für Bewegung, konzentriert und kraftvoll, aber trotzdem entspannt. Leider ist das im Alltag selten der Fall. Zwischen zu viel Sitzen, zu wenig Schlaf und einem endlosen Gedankenkarussell bleibt kaum Raum für echte Regeneration. Die Folge: Wir werden wortwörtlich steif vor Stress.

Wenn Muskeln zu viel halten
Verspannungen sind verkrampfte, verkürzte oder verhärtete Muskelgruppen, die Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen verursachen. In unserer westlichen Kultur lernen wir kaum, wie wir mit diesen Zuständen gesund umgehen. Wir behandeln Symptome, aber selten die Ursache.
Muskeln arbeiten nie allein. Sie sind eingebettet in ein Netzwerk aus Faszien, feine Bindegewebsstränge aus Kollagen, die den Körper stabilisieren, verbinden und in Form halten. Wenn du dir eine Grapefruit vorstellst, erkennst du das Prinzip: Das Fruchtfleisch würde ohne die zarten Häute einfach auslaufen. Genauso hält das Fasziennetz unsere Muskeln, Organe und Gelenke zusammen.
Faszien: unser unsichtbares Netzwerk
Faszien sind weit mehr als nur Verpackung. Sie leiten Reize weiter, reagieren auf Emotionen und speichern Erfahrungen. Selbst die Wissenschaft ist fasziniert. Forschende untersuchen, warum Lebewesen wie der Axolotl ganze Gliedmaßen regenerieren können, dank derselben Zelltypen, die auch in unseren Faszien aktiv sind.
Wenn Faszien durch Bewegungsmangel, Fehlhaltung oder Stress verkleben, entstehen Schmerzen, die sich anfühlen, als wäre der ganze Körper blockiert. Massagen, Yoga, Faszienrollen oder Wärme helfen, die Spannung zu lösen. Noch wichtiger ist aber das bewusste Wahrnehmen und Loslassen.
Der Körper vergisst nichts
Unser Körper ist unglaublich anpassungsfähig. Wer ständig die Schultern hochzieht, weil er gestresst ist, signalisiert dem Körper: Ich will das so behalten. Der Körper reagiert, indem er die Spannung dauerhaft speichert, bis Entspannung fast unmöglich scheint. Das Gleiche gilt für übermäßiges Training. Muskeln brauchen Regeneration, sonst kippt der Körper ins Ungleichgewicht. In der hawaiianischen Heilkunde heißt es deshalb: Leg die Latte so hoch, dass du entspannt drunter durchgehen kannst.
Ernährung und Muskelspannung
Auch unsere Ernährung beeinflusst, wie beweglich oder träge unser System ist. Zu viel Zucker, Konservierungsstoffe und schlechte Fette wirken wie Klebstoff in den Faszien. Frische, ballaststoffreiche Kost, fermentierte Lebensmittel und gesunde Öle hingegen machen den Körper geschmeidiger, von innen heraus.
Ein gesunder Darm bedeutet oft auch entspanntere Muskeln. Der Körper kommuniziert schließlich über biochemische Wege, und Stress beginnt nicht nur im Kopf, sondern auch im Verdauungssystem.

Emotionen zeigen sich im Körper
Unsere Emotionen sind eng mit Muskelspannung verbunden. Ärger, Angst, Trauer oder Wut manifestieren sich oft als körperliche Anspannung. Versuch einmal, dich zu entspannen und dich gleichzeitig über etwas zu ärgern. Es funktioniert nicht.
Das Gehirn braucht Muskelspannung, um Emotionen auszudrücken. Wenn du körperlich loslässt, beruhigt sich auch der Geist. Genau deshalb sind Methoden wie Yoga, Meditation oder Progressive Muskelentspannung so wirkungsvoll. Sie verbinden beide Ebenen.
Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Die Progressive Muskelentspannung wurde vom amerikanischen Physiologen Edmund Jacobson entwickelt. Gezielt werden einzelne Muskelgruppen angespannt und wieder gelockert. Dadurch beruhigt sich das vegetative Nervensystem, der Atem wird ruhiger und der Geist klarer. Diese Technik lässt sich leicht erlernen, dauert nur wenige Minuten und wirkt wie ein innerer Neustart für Körper und Seele.
Wenn Spannung Emotion trägt
Manchmal ist Muskelspannung mehr als körperliche Anstrengung. Sie ist gespeicherte Emotion. Eine Patientin litt unter massiver Verkrampfung nach einem Schicksalsschlag. Erst als sie sich während einer Behandlung fallen ließ und weinte, begann sich der Druck im Körper zu lösen. Trauer, Wut und anderer erlebter Stress sind lebendige, naturgegebene Vorgänge, die Bewegung und aktive Verarbeitung brauchen, um erlöst werden zu können. Loslassen bedeutet in diesem Zusammenhang keine Schwäche, sondern kleine Schritte in Richtung Heilung.
Wege zur Entspannung im Alltag
Alles, was dich entspannt, ist erlaubt: Spazieren, Tanzen, Malen, Meditation, Musik, Lesen oder ein gutes Gespräch. Manchmal hilft auch einfach Lachen. Und ja, einige meiner Klientinnen und Klienten schwören auf kreative Wege, die mit Selbstliebe zu tun haben. Wichtig ist, dass du deinen Körper wieder spürst.
Ruhe ist das neue Luxusgut. Gönn dir täglich ein paar Minuten Stille. Sie kostet nichts und ist unbezahlbar.

Mini-Übung zum Loslassen
Such dir einen ruhigen Platz. Atme tief ein und aus. Spür, wo dein Körper gerade Spannung hält. Stell dir diese Spannung als bunte Brausetablette vor, die sich in einem Glas Wasser auflöst. Mit jedem Atemzug sprudelt sie mehr, verteilt sich als feine Bläschen und verwandelt sich in Energie, Leichtigkeit und Lebendigkeit. Diese Übung kannst du jederzeit wiederholen. Dein Körper wird sich daran erinnern.
Fazit: Muskelspannung als Spiegel
Muskelanspannung ist kein innerer Gegner, sondern die Summe emotionaler Vorgänge, also unsere inneren Reaktionen auf die Impulse von außen. Wer seinen Körper besser spürt, lernt sich selbst besser zu verstehen. Ja, das lohnt sich.
Dazu ein Tipp: Diese Doku darf und muss man gesehen haben!
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